PECHGRÜN — Geschichte und Erinnerungen.
Geschichten und Gedichte über das tägliche Leben, Personen und Erinnerungen an die Jugendzeit im Egerland.
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Wickns Hund
Meinem Bruder Josef gewidmet
Seit ich denken kann, gab es beim Wickn immer einen Hund und mehrere Katzen. Von den Hunden möchte ich erzählen:
Der erste, an den ich mich noch genau erinnern kann hieß “Buwe”. Er war eine Promenadenmischung und konnte keiner Rasse auch nur annähernd zugeordnet werden. Er war ganz einfach nur Hund, nicht besonders groß, ein richtiges “Sucherl”, anhänglich und treu, wie es nur Bastarde sind. Seine Farbe war rötlichgelb, ockerfarben mit etwas dunklerer Decke, die Ohren gespitzt, den Schwanz geringelt wie bei einem Borstentier. Nein, schön war er nicht. Dennoch war Buwe ein eifriger Vererber, und hätte man seine Nachkommen aufgezogen, sie wären bestimmt noch hässlicher gewesen als er selbst. Die neugeborenen Welpen kamen in einen alten Sack, ein paar Steine dazu und ab mit ihnen in irgendein Gewässer. Der Buwe trauerte nicht um seinen Nachwuchs, er sorgte für neuen.
In der Zeit, in der Hündinnen im Dorf läufig waren, traf man den Buwe daheim nicht an, er brauchte auch nichts fressen. Einmal musste ihn aber der Hunger doch übermächtigt haben, weil er Löcher in die Bettwäsche der Hou Berta fraß, die sie zum Bleichen im Garten hinter dem Pleierhaisl ausgelegt hatte. Es wurde vermutet, daß die Berta ihre Hündin “Nettl” mit ins Bett nahm und das konnte einer Hundenase, trotz Wäsche mit “Frauenlob” (einer Waschpulvermarke), nicht verborgen bleiben. Die Berta ließ den Buwe gewähren und holte unseren “Vadder”, an Wickn Seffn, damit er den Buwe “inflagranti” überführen konnte. Die Berta bekam ein neues Leintuch und der Hund eine Tracht Prügel.
Einen Hund, noch dazu einen läufigen “Lusch” mit ins Bett zu nehmen, war für damalige Pechgrüner Ansichten wie fremdgehen. Es blieb deshalb auch ein Geheimnis.
Als der Dobermann Harry kam, mußte der Buwe weg. An einen Strick gebunden führte ihn eines Tages der “Schinder Ferdl” mit sich fort, einem ungewissen Schicksal entgegen. Ich sehe es noch, als wäre es gestern passiert, wie er an der Seite des Schinders, mit hochgeringeltem Schwanz Richtung Doglasgrün verschwand. Ein mir lieber Spielgefährte war nicht mehr da, dafür kam eine neuer der “Harry”. Der neue war ein Dobermannrüde, ziemlich reinrassig, auch wenn seine Rasse nicht mit einem Stammbaum nachgewiesen werden konnte. Die Zeichnungen seiner Art waren einwandfrei, das Fell kurzhaarig und pechschwarz mit brauner Zeichnung am richtigen Platz. Er hätte der Stolz seines Besitzers werden können, wenn das Kupieren richtig ausgeführt worden wäre, es war sein Schicksal. Wie sich im Laufe seines Daseins herausstellte, war er in seinem Verhalten alles andere, nur kein Dobermann, aber das konnte man dem Welpen noch nicht ansehen. Harry war der Bruder eines anderen Dobermannrüden, den die Scheitlers besaßen. Beschafft hatte sie der Laurer Hans aus einer Granesauer Zucht. Harry wuchs zusammen mit uns Kindern auf und wurde uns ein guter Spielgefährte.
Ein junger Dobermann muß allerhand über sich ergehen lassen. Zuerst wurde ihm der Schwanz, die Rute gekürzt, einige Wochen später stutzte man ihm die Ohren zurecht. Beim Kupieren passierte das Malheur. Die Schablonen, mit denen diese Operation durchgeführt wurde, passten nicht für Harrys Ohren. Wer der Kupierer war, ob es der Abdecker Schinder Ferdl oder ein auswärtiger Hundezüchter gewesen ist, weiß ich nicht mehr. Auf keinen Fall war es ein Pechgrüner Hundefreund. Die verwendeten Schablonen waren Vorrichtungen mit denen man die Ohren des Hundes so einklemmen konnte, daß es möglich wurde, die überstehenden Teile der Ohren mit einem scharfen Messer entlang einer Kante dieses Apparates abzuschneiden. Dies alles geschah ohne Betäubung. Was der Kupierer bei dieser Operation falsch gemacht hatte, konnte nicht aufgeklärt werden. Auf jeden Fall hatte er nicht nur das eine Ohr verschandelt, er hatte mit diesem unheilvollen Schnitt auch das Wesen unseres Dobermannes verändert. Harry konnte nur ein Ohr spitzen, das zweite war verkrüppelt und der Hund sah aus als hätte er ständig Angst. Wenn Hunde die Ohren anlegen, dann sind sie gefährlich. Diesen Eindruck machte Harry nicht, denn gleichzeitig spitze er freundlich das gute Ohr. Er war nicht scharf und bissig, sondern lieb und verträglich. Figural war er auch etwas daneben geraten und entsprach nicht dem Idealbild eines Dobermanns. Für uns Kinder war er der richtige Hund, gutmütig und anhänglich.
Nur einmal verhielt er sich wie ein echter Dobermann. Als ihm unser Dorfmillionär, der Pleier-Vådda, mit dem Schirm zeigen wollte, daß er ihm die Straße freizumachen hatte, biss er dem alten Mann ins Bein. Zum Glück hatte unser Großvater beim Gartner Dolf eine Hundehaftpflichtversicherung abgeschlossen und so konnten die Ansprüche des Gebissenen zu dessen vollster Zufriedenheit reguliert werden. Ohne Versicherung wäre dieser Hundebiß eine kostspielige Angelegenheit geworden, denn die Forderungen des alten Pleier waren gar nicht bescheiden, er holte heraus was rauszuholen war. Großzügig war unser Millionär nur Spenden, die seinem Seelenheil förderlich waren. Steinmetze, die bei ihm beschäftigt waren, wußten ein Lied von dessen Sparsamkeit zu singen. Ob es ihm gelang, mit dem bunten Fenster für die Chodauer Kirche die erhoffte ewige Seligkeit zu erkaufen? Wer weiß. Unserem Hund war die Ehrbarkeit des alten Pleier bestimmt gleichgültig, nicht egal war ihm, daß er dafür mit dem Regenschirm traktiert wurde.
Ende der 30iger Jahre kam ein Rehpinscher ins Haus. Eines Tages brachte mein Pate Richard diese Hand voll Hund und ließ ihn einfach da. Er war ein übler Kläffer. Selbst an den wärmsten Tagen zitterte er, als ob es hundekalt gewesen wäre. Angst war es nicht, was ihn so schlottern ließ, denn er fürchtetet sich nicht, selbst vor den größten seiner Artgenossen zeigte er keinen Respekt.
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Erich Heinzl, Auszug aus Pechgrün — Geschichten und Erinnerungen